Seikan-Tunnel

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Von Hakodate geht es nach Sendai. Ab Shin-Hakodate wollen wir mit dem Shinkansen fahren. Er wird uns in rund vier Stunden zur Sendai Station bringen. So weit so gut. Nun ist es aber so, dass die Insel Hokkaido und die Insel Honshu nicht miteinander verbunden sind. Der Weg des Shinkansen führt also durch einen Tunnel – den Seikan-Tunnel.

53,85 Kilometer ist der Tunnel lang. Er gehört zu den längsten Tunneln der Welt, wurde aber jüngst vom Gotthard-Basistunnel überholt. Die beiden anderen langen Tunnel liegen in China. In Hokkaido beginnt der Tunnel 17 Kilometer vor dem Meer, er taucht hinab auf 240 Meter unterhalb des Meeresspiegels und nach der Unterquerung des Meeres führt er in 13,55 Kilometern hinauf auf die Insel Honshu. Das Seikan-Tunnel-Museum sagt außerdem: 1946 begannen die ersten geologischen Untersuchungen, ab 1964 wurde gebaut, die Bauarbeiten dauerten 24 Jahre. Zwei verschiedene Gesellschaften wurden gegründet, um die Bauarbeiten zu planen und zu finanzieren. Der Tunnel kostete 700 Milliarden Yen = ca. 4,3 Milliarden Euro. Anfangs war er nur für langsameren Zugverkehr geeignet. Japan arbeitet aber immer am Ausbau des Shinkansennetzes, darum wurde der Tunnel sukzessive erweitert. 2016 wurde die Bahntrasse für den Shinkansen zugelassen. Im Moment endet diese in Shin-Hakodate. 2031 soll der Shinkansen Sapporo erreichen. Und nein, wir waren nicht im Seikan-Tunnel-Museum. Dafür hätten wir zur Minmaya Station, von da mit dem Sotogahamamachi Loop Bus nach Tappi fahren müssen. Das ist sehr weit draußen und außer dem Museum gibt es dort nichts zu gucken. Als Sapporo begann sich zur Millionenstadt zu entwickeln, fuhr noch kein Shinkansen durch den Seikan-Tunnel. Aber eine funktionierende Zugverbindung für Mensch und Fracht macht eine Besiedlung auf jeden Fall leichter.

Wir kommen heute in den Genuss des Shinkansen, schieben gemütlich unsere Koffer in Shin-Hakodate zum Shinkansen Bahnhof, erfreuen uns am modernen, hoch technisierten Bahnhof mit vielen Monitoren, Rolltreppen, Aufzügen, breiten Verkehrswegen und steigen locker am Startbahnhof in einen Wagen der H5 Serie. Ja, das ist alles so cool. Ich steh auf Shinkansen. Das Zugabteil ist kaum besetzt. Wie immer fährt der Zug pünktlich ab. Wir freuen uns auf Sendai und erwarten vom Tunnel-Erlebnis – nichts. Was soll passieren? Es wird draußen dunkel sein, weil wir durch eine Röhre fahren. Wir werden schnell vorankommen, um so etwas macht ein Japaner keinen Wind, wir also auch nicht. Bereits nach wenigen Minuten kommt der Hinweis an der digitalen Zuganzeige, dass wir demnächst den Seikan-Tunnel erreichen. Einige technische Daten werden mitgeteilt und ansonsten passiert – nichts. Halt! Es passiert doch etwas. Schatz schläft ein. Das kann er gut, er schläft auf der Fahrt im Auto, im Zug oder im Flugzeug leicht und sorglos ein.

Noch vor dem Tunnel bin ich auf mich gestellt, an meiner Seite höre ich regelmäßiges, zufriedenes Atmen. Ich habe Zeit, Schatz um diese Fähigkeit zu beneiden. In einem halbleeren Zug, mit einem schlafenden Mann, fange ich an mich zu langweilen. Hmmm. Ich schaue den Gang nach vorn, dann zurück. Dann esse ich das Kuchenstück auf, das ich in der Tasche habe. Hmmm. Dann stelle ich fest, dass es draußen dunkel ist, das liegt daran, dass wir gerade durch den Tunnel fahren. Hmmm. Der Mann am Platz gegenüber war clever genug, sich ein Laptop und Hausschuhe mitzubringen. Er sieht sehr beschäftigt aus. Ich habe mein Smartphone in der Hand, in der Tasche ist das Tablet. Schatz hat den Router in der Tasche. Aber im Tunnel gibt es keinen Empfang. Hmmm. Die digitale Zuganzeige ist verstummt. Die Fahrt durch den Tunnel dauert knapp 50 Minuten. Von draußen ist keine Abwechslung zu erwarten. Na dann, fotografiere ich eben die Zugbroschüre.

In der Stille des Zuges, so ganz ohne äußere Eindrücke stellt sich Ruhe bei mir ein. Ich atme meditativ in mich hinein und genieße die Stille. Ich fahre gerne mit dem Shinkansen, weil es genauso ist, wie es hier gerade ist: ruhig, das leichte Brummen des Zuges, niemand stört, niemand quengelt. Ich habe es bequem, es ist sicher und trotzdem bin ich unterwegs.

Irgendwann wacht Schatz auf, nach einer weiteren kleinen Weile taucht Helligkeit am Zugfenster auf und wir brausen auf der Hauptinsel Honshu mit Vollgas weiter Richtung Sendai. Schatz ist verwundert, wie fünfzig Minuten Tunnelfahrt so schnell vergehen können, und ich freue mich über das Tageslicht.

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