Itsukushima – Miyajima

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Wir schippern auf einer kleinen Fähre zur Insel Itsukushima. Das ist der offizielle Name. Die Einheimischen nennen die Insel Miyajima, das bedeutet ‚Shrine Island‘, Insel der Schreine. Uns bläst der Wind ins Gesicht, wir blinzeln in die strahlende Sonne. Ab und zu erwischt uns ein Tropfen der Gischt, die das Fährboot aufwühlt. Während der wenigen Minuten Überfahrt stehen wir an Deck und betrachten die immer kleiner werdende Station Miyajima auf der Hauptinsel Honshu. Wir setzen über zu einer dreißig Quadratkilometer kleinen Insel, die vor allem von Touristen und Gläubigen besucht wird.

Nach dem Verlassen der Fähre gehen wir Richtung Ladenzeile und lesen im Vorüberweg den Hinweis auf freilaufende Sika-Hirsche. Die kennen wir schon von unserem Besuch in Nara. Und tatsächlich treffen wir schon nach wenigen Schritten auf die stolzen Tiere. Sie schnuppern an den Besuchern und suchen offensichtlich nach Futter. An der Tür eines Ladens lesen wir das Schild: ‚deer eat paper‘. Wir schmunzeln darüber, entfernen uns einige Schritte, als wir das Rufen einer Frau hören. Sie reißt unter heftigem Ziehen einem Hirsch die Papiertüte aus dem Maul, die sie gerade im Laden bekommen hat. Haha, ‚deer eat paper‘. Jetzt verstehen wir, warum die anderen Besucher ihre Einkäufe gleich in Rucksäcken verstauen. Haha, ‚deer eat paper‘, das steht sogar auf dem Übersichtsplakat, das den Lageplan der Sehenswürdigkeiten zeigt. Das geht gut los.

Wir spazieren den Kai entlang und steuern auf ein riesiges, rotes Torii zu. Es steht mitten im Wasser, leuchtet orangerot und hat viel Aufmerksamkeit. Jeder Besucher bleibt hier stehen, fotografiert und lässt sich fotografieren. Wir auch. Wow, das ist ein Anblick. Das blaue Wasser, das orangerote Torii, die malerischen Berge, Wälder und Städte in Hintergrund. Das ist schön! Es soll einer der schönsten Anblicke Japans sein. Wir fotografieren das Torii, uns gegenseitig und schnell hilft ein japanisches Pärchen und macht ein Foto von uns beiden. An einer Anlegestelle laden zwei Bootsführer einige Personen in ihr wackeliges Boot und staken mit ihnen in Richtung Torii. Bei der Unterquerung des Torii neigen alle Insassen das Haupt. Offensichtlich handelt es sich hier um ein Ritual. Bestimmt soll es Glück bringen, das Torii zu unterqueren, vielleicht gehen dann Wünsche in Erfüllung oder es stellt sich mehr Gesundheit ein. Ich hoffe sehr, dass der Glaube der Menschen die gewünschten Berge versetzen kann. Es kostet übrigens dreitausend japanische Yen, das ganze Glück und die Wünsche und so. Uns genügt das Zusehen.

Vor uns liegt der Itsukushima Schrein, nach ihm ist die Insel benannt. Lange überdachte Gänge über Holzbrücken mit Balustraden führen zum Herzstück des Schreins. Säulen flankieren unseren Weg. Sie befestigen die Holzbrücken einen halben Meter über dem Wasser. Die Säulen und das Deckengerüst sind orangerot wie das Torii auf dem Wasser. Es riecht nach Holz, Räucherwerk und Meerwasser. Der Schatten, den die Überdachung spendet, sorgt für eine Art Besinnlichkeit, Behütetsein. Vor uns und hinter uns hören wir unablässig die Schritte anderer Besucher auf den Holzbohlen. Auf langen Wegen gelangen wir zum Schrein. Schon aus der Entfernung hören wir Musik und sehen bald eine größere Menschenansammlung. Direkt vor dem Herzstück des Schreins hat sich eine Menschentraube gebildet, die ins Innerste blickt.

Wir drücken uns vorsichtig ins Sichtfeld und sehen eine Hochzeit. An zwei weiß gedeckten Tafeln rechts und links des Innenraums sitzen Menschen, vermutlich die Familien des Brautpaares. Priesterinnen gehen hin und her, bringen Gefäße und andere Dinge. Aus dem hinteren Bereich klingt traditionelle Musik. Sie ist für europäische Ohren eher schwer verdaulich, aber hier in dieser Andacht kann sie perfekter nicht sein. Die Braut steht im hinteren Bereich. Ihr ganzer Körper ist von einem traditionellen, weißen Gewand umhüllt. Es handelt sich bestimmt um einen Kimono, der ihr aber keinerlei Bewegungsfreiheit lässt. Sie geht mit vorsichtigen Trippelschritten. Helferinnen bringen sie zur richtigen Stelle und in die richtige Position. Auf dem Kopf trägt sie eine weiße, hohe Haube, mit der sie kaum nach rechts oder links sehen kann. Die Braut macht einen angespannten Eindruck. Die Priesterinnen reichen Tassen an das Brautpaar. Der Bräutigam ist ebenfalls in traditionellem Gewand, aber er hat es etwas leichter, ohne Haube und beengende Kleidung. Die beiden absolvieren einige Rituale mit Essen, Trinken. Die meisten Dinge sind uns unverständlich. Aber sie werden von den Hochzeitsgästen genau beobachtet und alle sind ganz in die Zeremonie versunken.

Wir sehen eine Weile zu, wie alle Besucher des Schreins. Obwohl wir nur Zuschauer sind, verstärken wir durch unsere Anwesenheit den Druck auf das Brautpaar. Aber so ist das, wenn man in einem Schrein heiratet, der seine normalen Öffnungszeiten beibehält. Wir können uns nur schwer von der eindrucksvollen Darbietung lösen, gehen trotzdem irgendwann unter überdachten Gängen und über Holzbrücken Richtung Ausgang. Dort angekommen blinzeln wir eine Weile lang verzaubert in die Sonne. Das war sehr beeindruckend! Und, es gibt noch mehr zu entdecken.

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